Wie wichtig sind Publikumsstudien? Welche Audience Development-Strategien gibt es? Und wo wird die Stimme der Besucher_innen in die Museumsarbeit inkludiert?
Beginnen wir mit einem Experiment: man erinnert sich an den ersten Museumsbesuch. Das Museum kann ein Ort der Sehnsüchte, der Emotionen sein.
Wer erinnert sich noch an die Komödie “Ferris Bueller's day off” aus dem Jahr 1986? Dieser Film zeigt, welche Kraft Kunst hat und wie ein Museumsbesuch das Leben verändert.
Weshalb sind einige von Museen fasziniert und andere bleiben fern? Museen sind Wissensspeicher, Orte der Inspiration und Ruhe. Sie bilden Gemeinschaft. Doch was wären Museen ohne Publikum?
Die amerikanische National Endowments for the Arts (NEA) hat zwischen 2002 und 2015 in einer Studie nachgefragt, warum Kunstinteressierte nicht in das Museum gehen.
Sie kamen zu folgendem Ergebnis:
60 Prozent haben keine Zeit für einen Museumsbesuch
18 Prozent der Befragten fehlte der Zugang, z.B. fehlende Barrierefreiheit, keine öffentlichen Verkehrsmittel
22 Prozent die fehlende soziale Komponente als Hindernis an
Gleichzeitig ist das Interesse an Kunst und Kultur so groß wie noch nie. Immer mehr Menschen konsumieren Kunst und Kultur online, so die NEA in einem weiteren Report.
Social Impact: Schlüssel zum Museum?
Die NEA hat auch nach den Motiven für den Museumsbesuch gefragt. Mehr als 70 Prozent der Befragten gaben an, dass sie das Museum als Ort der Begegnung nutzen. Sprich, man trifft sich im Museum mit Freunden und der Familie. Das gemeinsame Kunst- und Kulturerlebnis steht dabei im Mittelpunkt.
Lisa Baxter (The Experience Business)fragte im März 2019 bei einem Vortrag in Wien warum Menschen gerne Blumen kaufen. Einige im Publikum meinten, weil diese gut riechen und sie eine schöne Dekoration seien. Am häufigsten kam jedoch die Antwort, dass diese gekauft werden, weil sie glücklich machen. Was haben Ferri Bueller, Blumen und die Erinnerungen an den ersten Museumsbesuch gemeinsam? Alle drei Szenen sind mit einem emotionalen Erlebnis verbunden. Es überrascht also nicht, dass immer mehr Unternehmen und Kultureinrichtungen in das Erlebnis investieren. 2015 stellte das World Economic Forum fest, dass Millennials primär (fast 80 Prozent) in Offline-Erlebnisse investieren. 2019 kommt das WEF zu dem Schluss, dass dieser Trend in allen Alters- und sozioökonomischen Gruppen zu beobachten ist. Jonathan Yaffee vom World Economic Forum dazu:
“The experience economy is booming, but it must benefit everyone”
Das zeigt sich auch in den Besucherstatistiken 2019 der Museen in Österreich. Museen ohne Attraktion und Tourismus müssen jedoch massiv um ihr Publikum werben - auch das zeigt die Statistik. Wer nur für eine Blockbuster-Ausstellung in das Museum kommt, wird wohl kaum auf die Idee kommen, dass man sich auch sonst im Museum aufhalten kann, schrieb Tim Schneider im Frühjahr 2019 im Artnews.
Understanding your visitors
Wer sind meine Besucher_innen? Warum kommen sie? Wo sind sie unterwegs? Wie nutzen sie das Museum? Wie möchten sie kommunizieren?
In Großbritannien und den USA beschäftigt man sich seit mehr als zwei Jahrzehnten intensiv mit den Stimmen der Besucher_innen. Audience Development-Strategien sind fest in der DNA dieser Museen verankert.
In den USA fördert die New Yorker Wallace Foundation - eine private Stiftung - seit mehr als 15 Jahren Audience Development in Kultureinrichtungen. Die Foundation stellt fest, dass Museen zwei Grundvoraussetzungen erfüllen müssen:
The audience-building effort must be tightly aligned with an arts organization’s mission, resources and operationsit needs to be continuously studied and refined.
Werden diese erfüllt, dann ist eine langfristige Wirkung sichergestellt. (Service: Hier geht's zum Report)
Besucher_innenorientierung, Publikumsforschung und Audience Development sind in amerikanischen und britischen Kultureinrichtungen Teil der Museumsstrategie. Dies liegt einerseits an der Finanzierungsstruktur - Reports erfordern die permanente Analyse und Bewertung dessen was man tut.
Andererseits wirkt die Publikumsforschung in alle Bereiche der Museumsarbeit hinein. Sie beeinflusst Denkhaltungen und Organisationsstrukturen. Besucherzahlen alleine sind jedenfalls keine Erfolgsfaktoren mehr.
Spitzenreiter in der Publikumsforschung und deren Wirksamkeit sind jedoch Australien und Neuseeland. Sie sind sehr offen, greifen die Instrumente der Publikumsforschung für Konzepte im Management und Marketing auf und lassen in einem stärkeren Maß das Publikum bei inhaltlichen Fragen mitreden. Zum Beispiel wenn es um Ausstellungsthemen geht. Gleichzeitig hat die Wirkung der Bildung einen hohen Stellenwert bei der Erfolgsmessung, so Eva Reussner vom Karlsruher Institut für Technologie in ihrer Studie über Erfolgsfaktoren wirksamer Publikumsforschung.
Hauptsache Publikum!
Seit zwei Jahren läuft in Deutschland das Forschungsprojekt „Hauptsache Publikum“. Initiiert vom Deutschen Museumsbund werden Museen dazu angeregt, die Besucher_innenperspektive für sich als Leitgedanken zu entdecken und in ihre Arbeit zu integrieren. Ähnlich der Visitor Studies des British Council werden Pilotprojekte in Kultureinrichtungen in ganz Deutschland unterstützt, es werden Workshops veranstaltet und Handbücher zur Verfügung gestellt.
Museen bieten ein vielfältiges Programm an: Yogakurse, Medidationsstunden, Ausstellungsrundgänge, Künstler_innen-Gespräche, Parties mit DJs, und und und. Ob und wie das alles bei den Besucher_innen ankommt kann von vielen Einrichtungen nicht immer beantwortet werden. Die regelmäßige Selbstüberprüfung ist jedenfalls genauso wichtig wie die dezidierte Öffnung hin zum Publikum. Toolkits und Handbücher dafür gibts!
Service:
British Council: hier geht‘s zum Toolkit.
Auch der Deutschen Museumsbund stellt einen Leitfaden zur Verfügung, der unter diesem Link abrufbar ist.
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