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Der Politik fehlt der Mut

Aktualisiert: 18. Jan. 2020

Die Professorin und Beraterin Gesa Birnkraut über fehlende Agilität in Kulturbetrieben und das Potenzial von echten Wirkungsmessungen.


Das Interview führte Tina Trofer


Gesa Bernkraut kritisiert, dass zwar viel über Agilität gesprochen wird, doch im Kulturbetrieb ist diese Form des Tuns noch nicht angekommen. © VDW

Cultural Impact: Was sind aus Ihrer Perspektive und Erfahrung die größten Probleme & Herausforderungen, vor denen Museen heute stehen?


Birnkraut: Museen müssen raus aus der Ecke des reinen Sammeln und Bewahrens. Viele Museen haben da schon gute Schritte getan, aber noch nicht ausreichend. Sie müssen aktive Partner in der Stadtgestaltung werden, aber auch im Audience Development. Das bedeutet ein Umdenken in der Führung sowie ein Umdenken, wie Ausstellungen gedacht werden, wie Vernetzungen gedacht werden. Das Sichtbarmachen der Wirkung, die Museen haben, bedeutet immer auch eine stärkere Beteiligung der Fördergeber. Denn Beteiligung bzw. Partizipation heisst ja nicht nur "die Bürger müssen beteiligt werden", sondern vielmehr das Museum muss sich aktiv beteiligen an der Stadtgesellschaft.


Auch die Führungsstrukturen und Organisationsstrukturen sind noch sehr hierarchisch angelegt. Man hört überall "agil, agil, agil", das ist aber im Kulturbetrieb noch nicht so durchgedrungen.

Cultural Impact: Welche Erfahrungen gibt es mit Wirkungsorientierung in Deutschland - wie wird das Thema gesehen? Gibt es Museen, die Wirkungsorientierung aktiv betreiben?


Birnkraut: Alle machen das Reporting, das von ihnen verlangt wird und es gibt schon einige Kulturbetriebe, die erkannt haben, dass Wirkungsmessung wichtig ist. Aber das Thema ist noch nicht flächendeckend im Kulturbetrieb angekommen. Das hat auch mit der Schwierigkeit zu tun, dass es natürlich anstrengender ist, Qualitäten aufzuzeigen als Quantitäten.


Auch von Seiten der Fördergeber gibt es noch nicht genügend Wertschätzung für das Thema, sonst würden für Wirkungsorientierung und -messung schon mal ein paar Budgets zur Verfügung stehen. Einen gewissen (finanziellen) Anreiz müsste man den Institutionen schon auch geben.


Cultural Impact: Welche Lösungsansätze sehen Sie, um die aktuellen Probleme anzugehen?


Birnkraut: Massnahmen für eine aktive Organisationsentwicklung, für ein anderes Führungsverständnis der MuseumsdirektorInnen. Wenn in den Museen auf Leitungsebene nicht unbedingt ein Verständnis oder eine Sensibilität für vorhandene Probleme da ist – zum Beispiel was auf Kuratorenebene oder Restauratorenebene für Probleme gesehen werden – dann kann man kein Umdenken verlangen, weil ja noch gar kein Bewusstsein vorhanden ist. Man müsste vielleicht einmal untersuchen, ob es noch genügend junge Kunsthistoriker gibt, die ins Museum wollen und die auch mit den Arbeitsbedingungen zufrieden sind. Denn so ein Umdenken passiert oft erst dann, wenn ein Fachkräftemangel da ist, wenn die neue Generation andere Vorstellungen hat.


Die Kultumanagerin Gesa Birnkraut initiiert, gestaltet und vermittelt Lernprozesse in Kultureinrichtungen. © Fotograf: Elkes Gaidi

Ich erlebe in meiner Arbeit immer noch, dass die Notwendigkeit, mit allen Mitarbeitern zu reden, nicht gesehen wird. Es wird zwar mit den Kuratoren geredet, aber das war es dann auch schon.


Cultural Impact: Gibt es Best Practice Beispiele in Deutschland für Wirkungsorientierung und -messung?


Birnkraut: Ich kenne keine wirklich herausragenden Beispiele aus dem deutschen Museumsbereich. Es gibt Beispiele aus dem sozialen Bereich, zum Beispiel das Patenschaftsmodell "Balu & Du" oder aus dem social entrepreneurship-Bereich, wo Wirkungsmessung ein grosses Thema ist und entsprechende Modelle entwickelt wurden. Ich bin aber auch überzeugt, dass diese Modelle durchaus adaptiert werden können für den Kulturbereich.


Cultural Impact: Am Beispiel Goethe-Institut - wie ist das gelaufen?


Birnkraut: Da wurde das "Kultur wirkt-Modell“ entwickelt. Da soll auf Wirkungsmessung von Anfang an gesetzt werden. Zum Beispiel wurde die Impact Chain nach Clark mit dem IOOI-Modell (Input-Output-Outcome-Input) und der Wirkungstreppe nach Phineo verwendet.


Cultural Impact: Evaluierungen gibt es schon seit vielen Jahren, nur die Impact Modelle werden neu diskutiert. Gibt es aus der Evaluierung gute Modelle, die sich bewährt haben?


Birnkraut: Die üblichen Verdächtigen, die ich zuvor schon genannt habe, wie Impact Chain oder Log-Frame. Vielleicht haben wir da einen unterschiedlichen Ansatz, was Wirkungsorientierung betrifft. Für mich ist die Wirkungsmessung Teil der Evaluation. Weil Evaluation immer schon klar über das quantitative Reporting hinausgehen soll. Und dann gibt es vielfältige Evaluationsinstrumente, die auch für die Wirksamkeitsmessung genutzt werden können.


Cultural Impact: Für uns ist die Evaluation ein Teil der Wirkungsorientierung, genauer gesagt der Wirkungsmessung. Der wesentlichere Teil aber liegt im strategischen Nutzen, in der Planung von Projekten. Die Wirkungsorientierung ist deutlich umfassender als die reine Evaluation, sie denkt vom Ergebnis her und wird sowohl in der Planung als auch der Evaluierung eingesetzt.


Birnkraut: Dann haben wir eine unterschiedliche Sichtweise. Evaluationen sind für mich eine ganzheitliche Sichtweise für eine Lernende Organisation. Wenn Sie sich im US-Bereich umsehen, dann werden Sie sehen, dass Evaluation und Impact sehr stark miteinander verbunden sind. Im deutschsprachigen Raum wird Evaluation stärker auf das Quantitative reduziert. Evaluation ist aber für mich nie eine summative Evaluation, die am Ende des Projektes gemacht wird, sondern ein Kreislauf. Daher sind für mich Evaluation und Wirkungsmessung das gleiche.


Wirkungsmessung ist einfach nur ein neues Trendwort.

Cultural Impact: Glauben Sie, dass Impactmessungen in Zukunft mehr Gewicht haben werden? Ist das ein Modell für die Zukunft?


Birnkraut: Ich glaube schon, aber es kommt darauf an, wie sehr der Kulturbetrieb das von alleine weiter verfolgen wird. Das hängt stark von der Leitung ab, wie sehr das als wichtig gesehen wird. Und es kommt auch darauf an – vor allem in Deutschland und Österreich, wo wir noch viel mit Subventionen und Geldern der öffentlichen Hand arbeiten – was der Fördergeber für wichtig hält. Es ist klar, dass eine strategisch ausgerichtete Wirkungsmessung Zeit und Geld kostet - am meisten aber Zeit, zum Beispiel um die notwendigen Daten zu erheben und auszuwerten. Diese Zeit wird sicherlich nur dann eingesetzt, wenn dem eine Wichtigkeit zugeordnet wird. Und diese Wichtigkeit kann jetzt auf der einen Seite von der Leitungsebene kommen, die muss aber auch gespiegelt werden auf der politischen- und der Verwaltungsebene. Da muss man sich dann auch überlegen, was macht man mit den Ergebnissen? Ich kenne keine einzige Entscheidung, wo die Politik anhand einer Wirkungsmessung dann auch eine Förderentscheidung getroffen hätte. Zumindest nicht in Deutschland. Da fehlt der Politik noch der Mut.


Gesa Birnkraut ist seit 2004 Geschäftsführende Gesellschafterin der Kulturmanagement-Beratung BIRNKRAUT|PARTNER. 2005 gründete sie das Institut für Kulturkonzepte Hamburg, das Seminare und Coachings im Bereich Kulturmanagement anbietet. Seit September 2011 hat Gesa Birnkraut eine Professur für strategisches Management in Non-Profit-Organisationen an der Hochschule Osnabrück in der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.

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