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doris rothauer

Im Dienst der Gesellschaft

Field Trip New York: Museen im Spannungsfeld von Ökonomisierung, Digitalisierung und gesellschaftlicher Verantwortung


Metropolitan Museum New York City
Cultural Impact auf Fact Finding Mission in New York: Das Metropolitan Museum war eine von neun Stationen, die wir uns im Rahmen unserer "Zukunftsreise" angesehen haben. Foto: Advantage Austria/Helga Traxler

Es ist 10 Uhr vormittags, eine Stunde bevor das Brooklyn Museum seine Pforten öffnet. Dennoch bildet sich bereits eine Schlange an Besucher_innen vor dem Haus, um die wenigen freien Tagestickets für die Ausstellung von Frida Kahlo, die online seit Wochen ausverkauft ist, zu ergattern. Wir gehen gelassen und freudig erwartungsvoll zur Rückseite des mächtigen Baus, zum Personaleingang, wo wir bereits erwartet werden. Mit dem Lastenaufzug und über verwinkelte Bürogänge gelangen wir in einen großen Besprechungsraum, wo uns Sharon Matt Atkins, Director for Curatorial Affairs, empfängt.


In der folgenden Stunde erfahren wir von ihr, wie sich kuratorische und Vermittlungspraxis verschränken, wie „serving the community" tagtäglich gelebt wird, wie es in die DNA des Hauses eingeschrieben ist, und warum man sich rühmt, „the most welcoming museum in the city“ zu sein. Und das nicht nur für die Besucher_innen, sondern auch für die Mitarbeiter_innen.


Inklusion, Gleichheit und Diversität sind die Basis der Personalpolitik: 40 Prozent aller Mitarbeiterinnen sind POC – persons of colour –, unter den Kuratoren sind es 38 Prozent. Zu Beginn jeder Ausstellungsplanung werden alle Mitarbeiter_innen quer durch die Abteilungen und Ebenen versammelt, um gemeinsam Strategien für ein community engagement zu entwickeln. Eine Vorgangsweise, die nach Innen wie nach Außen ein hohes Maß an Identifizierung sowie permanente Innovation ermöglicht.


Das Brooklyn Museum ist eine von 9 Stationen, die im April dieses Jahres am Programm einer „Zukunftsreise“ zu New Yorker Kulturinstitutionen und Museen standen, veranstaltet von der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA und ihrem AußenwirtschaftsCenter New York. Meine Aufgabe war es, das Programm inhaltlich zusammenzustellen und die 3-Tages-Tour zu moderieren.  



Der Fokus lag auf innovativen Strategien, die im Spannungsfeld von Ökonomisierung, Digitalisierung und gesellschaftlicher Verantwortung zukunftsweisend für den Kulturbereich sind. Für jedes Haus hatte ich ein strategisches Kernthema identifiziert, zu dem wir mit den zuständigen Führungskräften diskutierten, wie etwa community engagement im Brooklyn Museum, education im MoMA, das digitale Museum im Metropolitan Museum, interaktive Technologien im Cooper Hewitt Museum. Im New Museum lernten wir den NewInc kennen, den ersten Museumsinkubator weltweit, und in der 8th Floor Gallery, einem Kunstraum der Shelley & Donald Rubin Foundation, ging es um socially engaged art. Was sich als roter Faden durchzog, war der strategische Zugang sowie die klare Wirkungsorientierung – man weiß um den Unterschied zwischen Output und Outcome und welche Wirkung man bei den Besucher_innen, im Umfeld, in der Gesellschaft erzielen will und erzielt. Ständige Evaluierung, Wirkungsanalysen und ein reflexives Lernen sind Kernelemente der strategischen Arbeit.

Mag das an der anders gearteten Finanzierungsstruktur liegen?


Welche Trends zeichnen sich für Museen ab? Elizabeth Merritt vom Center for the Future of Museums präsentiert im Austrian Cultural Forum die Zukunftstrends 2019. Foto: Advantage Austria/Helga Traxler

Elisabeth Merritt, Direktorin des Centre for the Future of Museums, das zur American Alliance of Museums gehört, meint: „Where you get your money, determines how you behave."


Sie stimmte uns in ihrem Vortrag auf jene Zukunftsthemen ein, die sie im TrendsWatch-Bericht 2019 als besonders relevant für Museen identifiziert:


  • Truth, Trust & Fake News („Museums have a high rate of trust so it´s about what kind of influence museums have on people.”)

  • Block Chain („It´s about storing transaction data and how things move, are given on.“)

  • Decolonization („Museums are inherently colonial because of their collection.“)

  • Homelessness & Housing Insecurity („Art is not a privileg, it is about basic needs.“)

  • Selfcare („Selfcare is about emotional strength, and museums tend to put stress on their staff.”)


Wer mehr dazu wissen möchte, liest am besten direkt im Bericht nach oder in unserem Beitrag.     


Sara Reisman, Direktorin der Shelley & Donald Rubin Foundation und der 8th Floor Gallery, setzt ganz auf sozial engagierte Kunst- und Kunstvermittlung. Kunst ist für sie ein Medium, das positiven sozialen Wandel anstoßen kann und will, dazu aber einen offenen, breiten, für alle zugänglichen Diskurs braucht. Offen heißt für sie mutig, und auch Scheitern muss möglich sein, um daraus zu lernen.  


“Art Institutions, in the near future, need to be responsive to social and political conditions in which their audiences find themselves. (…) They need to become spaces where difficult questions can be asked and addressed in an open way, a way where discourse can be generated without the consequence of getting it wrong but thinking through how do we get it right.”

Am Weg ins NewInc, dem ersten Museumsinkubator weltweit, initiiert und betrieben vom New Museum. Foto: Advantage Austria/Helga Traxler

In Zeiten eines massiven Ökonomisierungsdruckes, aber auch des Aufbrechens von tradierten Rollen geht das New Museum – ganz seinem Namen verpflichtet -  völlig neue Wege mit seinem NewInc, für das man sich das Modell eines Tech-Inkubators abgeschaut hat. In einem eigenen Gebäude direkt neben dem Museum, das für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist, werden seit fünf Jahren die Schnittstellen zwischen Kunst, Design und Technologie ausgelotet. Es ist eine Art Coworking Space, mit speziellen „Track Programs“, die gefördert sind, sowohl finanziell als auch mit Mentoring. „Idealistic Entrepreneurship“ nennt sich der Mix aus künstlerischen und unternehmerischen Zugängen. Auch hier wird Wert auf Durchmischung gelegt, sowohl was gender & diversity betrifft, als auch Disziplinen. Die ansehnliche Bilanz aus fünf Jahren Experiment: 350 Alumnis, 175 Mentoren, 175 entstandene Businesses, 392 geschaffene Jobs, 17 Millionen Dollar in Fundraising. Ein neues Business Modell fürs Museum, das sich auch finanziell auszahlt.


350 Alumnis, 175 Mentoren, 175 entstandene Businesses, 392 geschaffene Jobs, 17 Millionen Dollar in Fundraising, so die Erfolgsbilanz nach fünf Jahren NewInc. Foto: Doris Rothauer

Wie ein Unternehmen im 21. Jahrhundert agiert auch das Metropolitan Museum. Wir durften Einblick bekommen in die Digitalisierungs-strategie und das dafür zuständige Department, vertreten durch Sofie Andersen, Head of Digital Content, und Lynn Burke, Senior Product Manager. Hier wird nichts dem Zufall oder reinem Leistungsdruck überlassen, sondern sehr strategisch und wirkungsorientiert vorgegangen. Ausgangspunkt ist immer eine klare Vision, daraus abgeleitete Ziele, eine daraus abgeleitete Strategie, und erst dann ergeben sich die Maßnahmen und Aktivitäten. Die Mission und Haltung dahinter: purpose-driven, audience-driven, quality-driven.


"WHY is the number one question we always ask."

Die Digitalisierungs-Strategie ist eine zweigleisige, die parallel gefahren wird: die „digital experience“ im physischen Museum, sowie das digitale Museum als davon getrennte, eigene Erfahrung. Zwei unterschiedliche Strategien, zwei unterschiedliche Teams, unterschiedliche Partnerschaften, unterschiedliche Marketing- & Distributionskanäle. Um das alles zu bewältigen und mit den anderen Abteilungen und Aktivitäten im Haus zu vernetzen, hat man als Organisationsmodell die SCRUM-Methode gewählt, eine agile Projektmanagement-Methode. Und:


„Our content production is centralized, which is crucial for the success. Curators would tell their stories differently, but there is a very limited audience for that.”

Umfangreiche Besucheranalysen unterstützen die Digitalisierungsstrategie im MET. Foto: Advantage Austria/Helga Traxler

Das Wissen, was der Besucher will, was bei ihm wirkt, bezieht man aus umfangreichen Besucheranalysen, auch jener Zielgruppen, die sich online, auf der Website und in sozialen Medien bewegen, informieren und  interagieren. Die permanente Evaluierung und Monitoring dessen, was man tut, führt zu einem reflexiven, interaktiven Lernen, Nachbessern, Innovieren.


Auch im Cooper Hewitt Museum, nur wenige Straßenblöcke vom Metropolitan entfernt, liegt der Fokus auf der visitor experience. Dafür hat man vor einigen Jahren die hauseigenen Cooper Hewitt Labs gegründet, die an der Schnittstelle von Technologie, Medien und design experimentieren. Die zweifellos beliebteste und nachhaltigste Entwicklung war die „Pen“, ein interaktiver Stift, den jeder Besucher an der Kassa in die Hand bekommt. Hält man den Stift an eine der Objektbeschriftungen, werden weiterführende Informationen digital gesammelt und nach dem Museumsbesuch über einen eigenen Zugangscode online verfügbar gemacht. Mit dem Stift kann man aber auch unmittelbar mitgestalten, zum Beispiel an einem der interaktiven Tische oder an einer Wandinstallation. Ob Zeichnungen, 3D Objekte oder Tapetenmuster – die Kreationen werden ebenso wie Informationen gespeichert und sind dann zu Hause online abrufbar. Interessanterweise hat diese beliebte Spielerei starken Einfluss auf die kuratorische Arbeit, wie Cara McCarthy, Director of Curatorial, erzählt. Denn der Einsatz liefert wertvolle Einblicke in das Besucherverhalten, wo und wie Interaktion entsteht und gewünscht wird, und ermöglichtso einen anderen Blick – nämlich aus der Besucherperspektive - auf die eigene Sammlung.


„Everything centers around the pen.“

Die "Pen" ist ein interaktives Tool zur Generierung von Content auf unterschiedlichsten Ebenen, der auch nach dem Besuch, zu Hause, noch zur Verfügung steht. Foto: Advantage Austria/Helga Traxler

Nach 4 Jahren in die Jahre gekommen, denkt man nun über eine Weiterentwicklung der Pen nach – und darüber, wie sie inklusiver werden kann.


Im Museum of Modern Art steht das Thema Vermittlung am Programm. Bereits die Gründung des Museums mit seinem Gründungsdirektor Alfred Barr, beeinflusst vom Bauhaus-Gedanken, geht auf das Ethos zurück, dass Kunst einen Sinn fürs Leben, für die Gesellschaft stiftet. Education war daher von Beginn an Schwerpunkt und Mission des Hauses. Für die charismatische und visionäre Wendy Woon, Deputy Director des Education Departments, steht die Frage im Zentrum, wohin sich die Gesellschaft bewegt und wie das Museum auf den Wandel in der Gesellschaft reagieren kann und muss. Ihr Museum ist „value-driven, responsive, accessible for all”.


“Art is a learning experience, emotional, social. We have to foster the ability to think creatively, the way how artists think and see, how they challenge the world.”

Das MoMA hat eines der profiliertesten Inklusionsprogramme für Menschen mit Behinderungen weltweit, seine Expertise gibt das Team in Trainings und Studien weiter, um den Impact zu skalieren. Mit der Kunstvermittlung geht man aber auch außerhalb des Hauses und beschreitet völlig neue, innovative Wege, um an neue Zielgruppen und Einnahmen heranzukommen. So etwa mit den online-Kursen auf der Lernplattform Coursera, als einziges Museum bisher. 630.000 Registrierungen für neun Kurse bestätigen den Erfolg.

“Everyone who comes along has an impact and leaves behind a little something of themselves.“


Wendy Woon, Deputy Director Education im MoMA, vertritt einen gesamtheitlichen, inklusiven und von gegenseitigem Lernen geprägten Vermittlungsansatz. Foto: Doris Rothauer.

Vieles liesse sich noch berichten und jeder von uns hat etwas Anderes mitgenommen und etwas hinterlassen. Meine persönlichen Highlights und Learnings für unsere Cultural Impact Mission:


  • der sehr strategische Zugang

  • eine klare und starke Vision und Mission als Basis, die jeder Institution eine eigene Identität verleiht

  • die starke Identifikation der Mitarbeiter damit

  • der Besucher im Mittelpunkt – Stichworte: value driven, human centered, community engaged, experience oriented, impact oriented

  • ein reflexives Lernen, ein ständiges Einholen von Feedback

  • eine stete Weiterentwicklung, immer über den Next Step nachdenken, Neues generieren

  • Kooperationen, Kooperationen, Kooperationen


Ressourcen Liste:


- Center for the Future of Museums der American Alliance of Museums

- Der Inkubator NewInc des New Museum

- Hier geht's zum Metropolitan Museum


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1 Kommentar

1 Comment


kerstin.hosa
Jun 19, 2019

Danke Doris für die tolle Reise.


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