Chancen & Herausforderungen einer Institution im Wandel.
Wenn wir über Wirkungsorientierung in Kulturinstitutionen nachdenken, dann kommt den Museen in diesem Zusammenhang eine Sonderstellung zu: Es ist die Sammlung, die den entscheidenden Unterschied macht. Am Umgang mit der Sammlung hängt sich vielfach auch die Wirkungsthematik sowie die Frage nach der Rolle bzw. dem gesellschaftlichen Auftrag auf.
Die einen „kapitalisieren“ ihre Sammlungen – Stichwort „Guggenheim Prinzip“. Die anderen hinterfragen kritisch ihre Sammlungsbestände und setzen sie in einen lokal oder sonst relevanten kulturellen und zeitgenössischen Kontext. Und dazwischen findet sich eine Bandbreite weiterer Strategien, wie das Bewahren, Erforschen und Vermitteln gelebt und in ein Verhältnis zwischen Dauer- und Sonderausstellung gesetzt wird.
Die Sammlung stärkt den ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Machtfaktor der Museen. Sie ermöglicht das Museum als global agierende Unternehmens-Marke und als Franchise-Geber, als Touristenmagnet und Mittel zur Standortförderung, als nationale Selbstbehauptung im globalen Wettbewerb.
Blickt man auf aktuelle Statistiken und andere imposante Zahlen, kann man durchaus von einem „Museumsboom“ reden:
Laut Expertenschätzungen ist die Zahl der Museen weltweit zwischen 1975 und 2015 von 25.000 auf 80.000 angestiegen.
Aktuell ist ein Boom an Museumsneubauten in Nordafrika, Südafrika und China zu beobachten, Regionen, die bisher kaum nennenswerte Museen zu verzeichnen hatten.
Zum Vergleich Expertenschätzungen aus China: rund 350 Museen in 1978 stehen 5.100 in 2019 gegenüber. Im Durchschnitt wird jeden Tag 1 neues Museum eröffnet.
Spektakulärster Neuzugang in Afrika, eröffnet im Herbst 2017: Das Zeitz MOCAA in Kapstadt, erbaut für 32 Mio Euro, mit 9.500 m2 Gesamtfläche und 80 Galerien über 9 Stockwerke, bespielt aus dem Privatbesitz des Gründers Jochen Zeitz.
Nicht minder imposant: Das Louvre Abu Dhabi, ebenfalls im Herbst 2017 eröffnet, bestehend aus 23 Gebäuden und 12 Hauptgalerien. Rund 500 Millionen Euro kostet allein die Verwendung des Namens „Louvre“.
Das noch immer meistbesuchte Museum weltweit ist der Louvre in Paris mit 8,1 Mio Besuchern 2017, gefolgt vom Metropolitain Museum in New York mit rund 7 Millionen jährlich.
Man muss nicht nur in die Ferne schweifen, der Boom lässt sich auch in Deutschland belegen: Rund 100 neue Museen werden hier jährlich eröffnet, die prominentesten Neubauten waren zuletzt das Historische Museum Frankfurt mit einer Bausumme von 54 Mio Euro, sowie die Kunsthalle Mannheim mit 68,3 Mio Euro.
Allerdings: Über die gesellschaftlich Wirkung sagt all das wenig aus. Im Gegenteil: Unter dem Aspekt der Wirkungsorientierung ist eher von einer Krise der Institution Museum zu hören, analysiert man die vielen Symposien, Fachartikeln und anderen Expertendiskurse, die sich selbstkritisch mit der eigenen Rolle im Gesellschaftswandel auseinandersetzen. Was auf der einen Seite den Boom fördert, wird auf der anderen Seite zunehmend kritisch hinterfragt: der massive Ökonomisierungsdruck, hierarchische Machtstrukturen, die Herausforderungen der Digitalisierung, veränderte Rezeptionsverhalten – um nur einige zu nennen. Und genau hierin liegen die Chancen für ein Umdenken in Richtung Wirkungsorientierung!
Wir haben in einer Reihe von Interviews mit Expert_innen nachgefragt, was ihrer Meinung nach die derzeit größten Herausforderungen für Museen sind:
die Digitalisierung
Langzeitarchivierung der Sammlungen
das massive Zurückfahren von Sammlungstätigkeit
eine veraltete Infrastruktur (z.B. Depots, Haustechnik, Handling großer Besucherströme)
Ressourcenknappheit beim Personal
prekäre Arbeitsbedingungen (freie Verträge versus fixe Anstellung)
mangelnde Prozessoptimierung interner Arbeitsabläufe
interne Strukturen und Hierarchien, die Innovation verhindern
mangelnde Profilschärfung in Richtung gesellschaftlicher Wirkung
die Ausrichtung an überholten Managementsystemen
rein quantitative Kennzahlen
der Druck nach ständig steigenden Besucherzahlen
mangelnde Indikatoren für eine Wirkungmessung
zu hohe Eintrittsgelder als soziale Barriere
die Verteilungskämpfe um die großen Fördertöpfe
knapper werdende öffentliche Budgets
die Unterfinanzierung bei gleichzeitig steigenden Erwartungen und Anforderungen an die Museumsarbeit
eine zeitgemäße Vermittlungsarbeit für die „digital natives“
Audience Development und das Erreichen neuer Dialoggruppen
die Arbeit mit Freiwilligen und Ehrenamt
mangelnde Kooperation und Austausch zwischen den Museen
Und was meint Ihr? Schreibt uns bitte, was Eure größten Herausforderungen für eine wirkungsorientierte Museumsarbeit sind!
Übrigens: Was die Besucher sich vom Museumsbesuch erwarten, wo ihre Wünsche und Bedürfnisse liegen, das könnt ihr hier (link) nachlesen.
Ressourcenliste:
Kunstforum International, Band 251/2017: Museumsboom – Wandel einer Institution
In Österreich sind ICOM Österreich sowie der Österreichische Museumsbund wichtige Akteure im Diskurs.
Internationale Museumsverbände und Plattformen sind:
ICOM international: https://icom.museum/en/
Institut für Museumsforschung (D): https://www.smb.museum/museen-und-einrichtungen/institut-fuer-museumsforschung/home.html
American Alliance for Museums (USA): https://www.aam-us.org/
Museum Next (Konferenz und Blog): https://www.museumnext.com/
Museum Association (GB): https://www.museumsassociation.org/home
Network for European Museum Associations (EU): https://www.ne-mo.org/
Wer sich für Statistiken interessiert, wird u.a. hier fündig:
https://de.statista.com/statistik/studie/id/7315/dokument/museen-und-ausstellungen-statista-dossier/ (D und weltweit)
http://www.statistik-austria.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bildung_und_kultur/kultur/museen_und_ausstellungen/index.html (Ö)
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