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doris rothauer

"Die Dächer müssen grüner werden, ebenso wie auch die Straßen"

Aktualisiert: 18. Jan. 2020


Von 9. Oktober 2019 bis 21. Jänner 2020 zeigt das KUNST HAUS die Ausstellung „Listened to Animals imitating Humans“ von Martin Roth. In der Ausstellung wird die Beziehung zwischen Natur und Zivilisation in den Mittelpunkt gerückt. Courtesy Collection of Josephine Nash, New York

Steht man vor dem KUNST HAUS WIEN und blickt an der mit bunten Kacheln bekleideten Fassade hoch, sieht man Bäume aus den Fenstern ragen. Im Inneren des Hauses ziehen sich die unorthodoxen Gestaltungselemente weiter: Neben bunten Kachelsäulen und –wänden sind vor allem die unebenen Böden, die dem Besucher bereits nach den ersten Schritten ein ungewöhnliches Erlebnis bescheren und weswegen das Haus vor allem bei Touristen so beliebt ist.


Ausgehend von den Ideen Hundertwassers zu Ökologie und Gesellschaftspolitik schafft das KUNST HAUS WIEN einen neuen Ort für Künstler_innen, die sich mit Themen wie Nachhaltigkeit befassen. 2018 © KUNST HAUS WIEN 2016, Eva Kelety

Eröffnet 1991, zeigt das Museum die weltweit einzige permanente Ausstellung der Werke von Friedensreich Hundertwasser, dem österreichischen Künstler, Architekten, Umweltschützer und Visionär. Sein Leben lang proklamierte und zelebrierte er eine nachhaltige Lebens- und Arbeitsweise als Gesamtkunstwerk und kritisierte schon früh den rein wachstumsorientierten Umgang mit unserem Lebensraum.

„Man braucht wahrscheinlich 1000 Jahre um den Schaden zu beheben, den man in den letzten 10 Jahren angerichtet hat“, schreibt Hundertwasser im Jahr 1971 in seinem Manifest „Verwaldung der Städte“ und tritt für radikale Stadtgestaltungsideen ein:


„Die Dächer müssen grüne Wälder werden, ebenso wie auch die Straßen. (...) Man müsste Vegetationsschichten in Stockwerken anlegen. Denn der fehlende Sauerstoff kann nur durch Vegetation erzeugt werden und nicht durch chemische Manipulation.“

Zwei Jahre später setzt Hundertwasser mit seiner Intervention der „Baummieter“ bei der Triennale in Mailand einen solchen symbolischen Verwaldungs-Akt und pflanzt 15 Bäume in Privatwohnungen in der Via Manzoni, wo sie aus den Fenstern wachsen.


Anfangs belächelt, konnte er später in seiner Karriere seine Visionen von menschengerechten Räumen und Häusern ohne gerade Linien, von Fassadenbegrünungen und Dachbepflanzungen, von Humustoiletten und Pflanzenkläranlagen tatsächlich umsetzen, und Wissenschaftler und Techniker dafür begeistern. Wenngleich er mit seinem Aktionismus und seiner unverkennbaren, eigenwilligen Formensprache, seiner künstlerischen Handschrift, sich nicht nur Freunde und Verehrer machte. Dennoch bleibt unbestritten, dass er ein wichtiger Vordenker und Wegbereiter in Sachen Nachhaltigkeit und Umweltschutz war.


Was Bettina Leidl, die Direktorin des KUNST HAUS WIEN, dazu bewog, das Vermächtnis von Hundertwasser in einen zeitgenössischen Kontext zu stellen und damit das schon etwas verstaubte Haus neu zu positionieren, als sie es 2014 übernahm. „Seine ökologischen Themen und Visionen sind heute in der Mitte der Gesellschaft angekommen", sagt Leidl. „Gerade in der westlichen Welt sehen wir ein zunehmendes Bedürfnis, verantwortungs- und respektvoll mit der Natur umzugehen.“ Ausgehend von den zukunftsweisenden Ideen Hundertwassers hat sich das Museum seither zu einem neuen Ort für den künstlerischen Diskurs rund um das Verhältnis des Menschen zur Natur entwickelt. Dies geschieht durch eine konsequente Programmatik bei den Wechselausstellungen sowie durch umfassende interdisziplinäre Begleitveranstaltungen. Themen wie Klimawandel, Massenkonsum, Ressourcenausbeutung, Vermüllung oder Artensterben werden kritisch verhandelt und visionäre Alternativen aufgezeigt.


„Künstler holen uns aus unserer Komfortzone heraus. Kunst kann unsere Wahrnehmung schärfen, uns die Dringlichkeit der Themen vor Augen führen, unsere Perspektive verändern. Wenn Kunstschaffende Probleme unserer Zeit aufgreifen, kann ihr künstlerischer Zugang eine direktere Wirkung bei Menschen erzeugen als wissenschaftliche Argumente, weil sie uns in unseren Emotionen berühren und treffen und uns so zum Nachdenken und Umdenken bringen.“

Doch damit nicht genug. Wenn man als Kunstinstitution Themen wie Nachhaltigkeit und Ökologie aufgreift, um damit beim Besucher eine Wirkung erreichen zu wollen, sollte man sich auch selbst kritisch hinterfragen, wie man in der eigenen Organisation damit umgeht. „Ein Museum ist ein Werteproduzent, das als öffentliches Unternehmen und Arbeitgeber auch eine gesellschaftspolitische Haltung zu vermitteln hat.Aus dieser Überzeugung heraus hat Bettina Leidl eine einzigartige Initiative gestartet, die das Potenzial hat, Museen von innen heraus zu reformieren und als Vorbilder in Sachen Umweltschutz zu positionieren.


Mensch und Natur – ein zentrales Thema im KUNST HAUS WIEN. 2018 zeigte man Arbeiten der Künstlerin Ilkka Halso. Sie imaginiert in den digitalen Collagen der Serie "Museum of Nature" Strukturen, die die Natur vor menschlichen Eingriffen schützen könnten: Ein Glasdach überspannt den Kitka River. IlkkaHalso, KitkaRiver aus der Serie Museum of Nature, 2004 © IlkkaHalso

Gemeinsam mit ICOM Austria (International Council of Museums), dem Österreichischen Museumsbund sowie dem Österreichischen Ökologie-Instituts für angewandte Umweltforschung hat man Klimaschutz-Richtlinien für Museen entwickelt.


Die Liste umfasst:

  • Nachhaltiger Umgang bei Ausstellungsarchitektur und bei Transport und Lagerung in Bezug auf Materialienwahl, Mehrfachverwendung, Recycling

  • Sekundärverwertung von Publikationen

  • Konservierung und Restaurierung: durchgeführt von fachlich geschulten und qualifizierten RestauratorInnen, sensibler und nachhaltiger Umgang mit den Ausstellungsobjekten, sowie Minimierung der nötigen Chemikalien und Hilfsstoffe

  • nachhaltige Entwicklung in der Vermittlungsarbeit: Partizipation, Mehrperspektivität, kulturelle und soziale Unterschiede, Problemlösungskompetenz, Methodenvielfalt

  • Beziehen von Ökostrom, Umstellen auf LED-Beleuchtung

  • Druckmaterial/ Werbemittel: chlorfreies Recyclingpapier für Büro, Folder, Einladungskarten

  • Umstellen des Shop-Sortiments: nachhaltige, unverpackte Produkte, Artikel lokaler Unternehmen

  • Anforderungen für das Museumsrestaurant: nachhaltige, regionale Produkte aus biologischer Landwirtschaft, Mehrweggebinde


Diese Kriterien wurden zudem in den Anforderungskatalog für das Österreichische Umweltzeichen aufgenommen, das nun auch Museen offensteht. Verliehen vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus ging es bisher nur an Betriebe der Tourismus- und Freizeitwirtschaft.


Auch das KUNST HAUS hat sich im Rahmen seiner Nachhaltigkeitsstrategie für die Auszeichnung beworben und einen aufwendigen Zertifizierungsprozess durchlaufen. 2018 hat es als erstes grünes Museum das Österreichische Umweltzeichen erhalten. Und es lebt alle oben genannten Kriterien vorbildhaft vor.


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