Erfolgreiche Museen sind jene, in denen das interne Zusammenspiel gut funktioniert: wo Museumsarbeit Teamarbeit ist. Wenn das funktioniert, dann können Museen gut wirken.
Ein Gespräch mit Sandra Malez, Obfrau des Österreichischen Verbands der KulturvermittlerInnen im Museums- und Ausstellungswesen und Leitung der Kulturvermittlung des OÖ Landesmuseums.
Das Interview führte Tina Trofer.
Cultural Impact: Was sind aus ihrer Sicht die größten Herausforderungen, mit denen Museen derzeit konfrontiert sind?
Malez: Den wachsenden Ökonomisierungsdruck, der sich mittlerweile durch alle Bereiche der Gesellschaft zieht, spüren wir sehr deutlich. Für uns äußert sich dies in einem starken Fokus auf Besucherzahlen. Dabei ist die Frage vielmehr, wie uns der Anschluss an die Gesellschaft gelingt? Bei einer Arbeitssitzung im Mai 2018 haben der Österreichische Verband der KulturvermittlerInnen und ICOM CECA sich unter anderem damit auseinandergesetzt. Auch dort war die zentrale Frage, wie wir mit dem Druck auf Besucherzahlen umgehen sollen und wie Museen ihre Wirkung erhöhen können. Die Kulturvermittlung hat als musealer Fachbereich mit Außenwirkung dabei eine Schlüsselfunktion. Erfreulicherweise konnten wir gemeinsam neue Erfolgskriterien für eine professionelle Kulturvermittlung definieren, die nun auch auf unserer Homepage nachzulesen sind. Das war ein erster Schritt, um die Diskussion in eine neue Richtung zu lenken. Eine weitere Herausforderung sind die zwei Bereiche innerhalb der Museen, die eine oft unterschiedliche Sprache sprechen: die kaufmännische und die wissenschaftliche Leitung. Ideal wäre es, wenn sich die beiden „gut verstehen“ und gegenseitig unterstützen. Wenn innen Klarheit herrscht, dann können alle Bereiche besser zusammenarbeiten. Innere Klarheit ist die Voraussetzung für ein Wirken nach außen!
Cultural Impact: Gibt es für diese Herausforderungen Lösungsansätze?
Malez: Wir sehen, wie wichtig es ist, dass miteinander geredet wird. Das klingt banal, aber das passiert derzeit noch zu wenig. Wenn alle Betroffenen innerhalb eines Museums, aber auch die Museen untereinander in Diskussion treten, können andere Möglichkeiten zur Messung der Wirkung bzw. des Erfolges gefunden werden. Und diese alternativen Messungen gibt es ja bereits. Das würde auch den Ökonomisierungsdruck rausnehmen.
Cultural Impact: Welche Messungen sind das?
Malez: In Museen wurde zum Beispiel eine weitere Kennzahl eingeführt, um die kreativ-wissenschaftliche Arbeit zu messen: die Verweildauer der Besucher. Diese sagt viel über die Wirkung eines Museums aus. Je länger die Verweildauer ist, desto wohler fühlen sich die Menschen im Museum. Wir haben das bei uns im Haus (Anm.: Oberösterreichisches Landesmuseum) ausprobiert und sehr positive Resonanz erhalten. Für uns ist eine zentrale Frage, wie wir unsere Tätigkeit messbar und transparent machen können. Eine große Herausforderung nicht nur für die Kulturvermittlung! Alle wissenschaftlichen Bereiche eines Museums sitzen doch im selben Boot: Wir stehen vor der Herausforderung wissenschaftliche Tätigkeiten mit bzw. nach wirtschaftlichen Maßstäben zu messen. Aber ich bin zu dem Ergebnis gekommen: es ist nicht alles messbar.
Cultural Impact: Welche Rolle spielt die Kulturvermittlung in der gesellschaftlichen Wirkung von Museen?
Malez: Wenn Museen gesellschaftlich relevant sein möchten, dann brauchen sie die Kulturvermittlung. Die Kulturvermittlung hat das Potenzial, die Wirkungsmacht eines Museums zu erhöhen.
Grundsätzlich ist die Kulturvermittlung derzeit in einer guten Position, weil das Publikum so sehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt ist und die Besucher ja über die Kulturvermittlung kommen. Ich denke auch, dass sich die Museumsleitungen diesem Wandel nicht länger verschließen können. Schwieriger ist es für die Kollegen aus den Sammlungen, der Restaurierung und all den wissenschaftlichen Bereichen, die nicht so sichtbar sind. Auch deren Arbeit sollte mehr nach außen transportiert und in der Gesellschaft diskutiert werden. Nur wenn alle musealen Arbeitsbereiche gut arbeiten können und sich miteinander abstimmen, funktioniert ein Museum.
Cultural Impact: Wir sind bei unseren Recherchen zum Thema Impact immer wieder auf die Schlüsselrolle der Kulturvermittler_innen gestoßen. Zwar ist die Arbeit der Kulturvermittler_innen für das Publikum stets sichtbar, die Erfolge werden ihnen aber nur selten zugeschrieben, sondern bei den Kuratoren verbucht. Wie sehen Sie das?
Malez: Der Grund, weshalb die Erfolge nicht Kulturvermittler_innen zugeschrieben werden, hängt mit der Sichtbarkeit/Verortung der Kulturvermittlung in den Institutionen zusammen. Es gibt nach wie vor große Herausforderungen: fehlende Anstellungsverträge, prekäre finanzielle Verhältnisse, etc. Um den Prozess voranzutreiben haben wir die Kommunikation über diese Probleme etwas geändert: Es ist mir wichtig, dass wir aus einer Bittstellerhaltung herauskommen und vermitteln, welch wichtigen Beitrag die Kulturvermittlung am Erfolg eines Museums hat. Deshalb haben wir in den letzten Jahren das Berufsbild der Kulturvermittler_innen überarbeitet. In einem nächsten Schritt geht es darum, diese Ergebnisse stärker in die arbeitsrechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen einfließen zu lassen. Denn es macht einen großen Unterschied, unter welchen Bedingungen die Kulturvermittler_innen arbeiten, ob sie angestellt sind, ob sie Budgetverantwortung haben oder eben nicht. Dafür hat der Österreichische Verband der Kulturvermittlerinnen gemeinsam mit ICOM CECA die Erfolgskriterien für professionelle Kulturvermittlung erstellt, die seit Jänner 2019 auf unserer Homepage verfügbar sind. In einem länderübergreifenden Prozess hat der Verband in weiterer Folge mit den Kulturvermittlungsverbänden aus Deutschland und der Schweiz eine Kooperation gestartet und gemeinsam eine Stellungnahme zu 5 Erfolgskriterien erarbeitet: 1) Publikum, 2) Inhalt, 3) Diskurs, 4) Kommunikation und 5) Ressourcen.
Cultural Impact: Wie können wir diese neuen Erfolgskriterien vermitteln?
Malez: In der Vermittlung der Erfolgskriterien spielen Bilder, ausgewählte Kennzahlen und eine breit angelegte Kommunikation eine große Rolle. Es muss klar sein, dass bessere Rahmenbedingungen innerhalb der Museen die Voraussetzung dafür sind, dass wir auch nach außen wirksamer auftreten können. Wir wünschen uns, dass die Museen besser in der Gesellschaft verortet sind. Da wurde einiges verabsäumt.
Cultural Impact: Was zum Beispiel?
Malez: Das Problem ist, dass der Großteil der Bevölkerung nicht weiß, was ein Museum macht. Man könnte den Schluss ziehen, dass die Museen es verabsäumt haben, ihre Aufgaben an die Bevölkerung zu vermitteln! Darum wissen heute nur wenige, wofür ein Museum steht.
Cultural Impact: Sie haben vorhin die innere Klarheit genannt. Was müsste sich dafür an Rahmenbedingungen verbessern?
Malez: Wichtige Lösungsansätze wären niederschwellige Hierarchien und die Abwicklung von Projekten mittels Projektmanagements, in dem gewährleistet ist, dass alle Projektpartner gleich sind. Manchmal bräuchte es vielleicht auch einen externen Projektleiter, der eine Gleichwertigkeit zwischen den Kuratoren_innen, den Kulturvermittler innen und den Sammler_innen garantiert.
Cultural Impact: Was ist für Sie ein erfolgreiches Museum?
Malez: Erfolgreiche Museen sind für mich jene, wo das interne Zusammenspiel gut funktioniert. Wo Museumsarbeit Teamarbeit ist. Wenn das funktioniert, dann können die Museen gut wirken. Eine Erhebung von ICOM CECA Austria unter Österreichischen Museen hat ergeben, dass jene Museen, die ihre Kulturvermittler_innen angestellt haben, höhere Vermittlungszahlen (Menschen, die Angebote der Kulturvermittlung im Museum nutzten) gemessen an den Gesamtbesucheranzahlen vorweisen, als jene, wo die Vermittler im Rahmen von freien Verträgen arbeiten. Das war schon sehr spannend zu sehen! Die Anstellung der Kulturvermittler innen hat somit eine Steigerung der Vermittlungszahlen bewirkt. Die positiven Auswirkungen der Anstellung unseres Vermittlungsteams konnten wir selbst nachvollziehen: Im Oberösterreichischen Landesmuseum wurden 2013 das Team der Kulturvermittlung angestellt, das hat viel ausgelöst. Plötzlich waren wir als Fachbereich für alle Abteilungen sichtbar und greifbar war. Museen schöpfen derzeit das Potenzial der Kulturvermittlung nicht aus.
Cultural Impact: Welche internationalen Best Practice Beispiele würden Sie hervorheben?
Malez: Im Bereich Besucherorientierung sind die Museen in Großbritannien viel stringenter als bei uns. Lisa Baxter beispielsweise hat ein spannendes Modell entwickelt, wie sich Museen anhand der Besucherorientierung verändern können.
Wesentliche ist: es geht nicht um neue Kennzahlen, sondern um eine bessere Kommunikation nach innen und außen und um eine bessere Zusammenarbeit innerhalb des Museums.
Cultural Impact: Es geht also ums Vernetzen, Austauschen und Solidarisieren?
Malez: In den letzten Jahren hat sich ja schon viel bewegt. Es braucht aber noch mehr, um die Kommunikation und das Zusammenspiel der einzelnen Museumsprofessionen zu verbessern. Wir tragen alle die Verantwortung, dass dies funktioniert. Dafür müssen wir aber aktiv auf andere Bereiche zugehen.
Ressourcen:
ERFOLGSKRITERIEN EINER PROFESSIONELLEN KULTURVERMITTLUNG (siehe Paper auf der Website)
Lisa Baxter: The experience Business
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